Alfa Romeo Junior Veloce im Test: Elektro-Knaller mit Charisma?

Seit vielen Jahrzehnten steht Alfa Romeo wie kaum eine andere Marke für sportliche und emotionale Autos aus Italien. Fahrzeuge mit Charakter, die man nicht einfach fährt, sondern erlebt. In jüngerer Zeit war dieses Image ein wenig verblasst. Mit dem Junior und vor allem der Sportversion Veloce kommt wieder Emotion ins Spiel. Wir haben ihn schon gefahren.
Bestseller wie Giulia und Stelvio verabschieden sich gerade von der Bühne, der Tonale schwächelt massiv, und viele fragten sich, ob Alfa den Bogen zurück zu alter Stärke noch schafft. Letztes Jahr schickten die Italiener mit dem Junior einen neuen Hoffnungsträger ins Rennen. Das kompakte SUV gibt es als Benziner, Hybrid und vollelektrisch.
Bildergalerie: Alfa Romeo Junior Elettrica Veloce (2025) im Test








Richtig spannend wird es aber in der Version Veloce. Hier schlagen 280 Pferdestärken aus einem Elektromotor, und Alfa verspricht nichts weniger als die Rückkehr des "Emotionsbolzens" in die kleine Klasse. Auf dem Papier klingt das nach einem ernsthaften Kurvenräuber, in der Praxis nach einem Alfa, wie man ihn sich lange gewünscht hat.
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Exterieur | Interieur | Antrieb | Fahrverhalten | Preis | Fazit
Exterieur
Auf den ersten Blick ist klar: Alfa hat beim Junior wieder Mut zum Design bewiesen. Trotz kompakter 4,17 Meter Länge wirkt der kleine SUV ausgesprochen dynamisch. Vorne dominiert der Scudetto, der legendäre Markengrill. Durch neue EU-Vorschriften fällt er etwas kleiner aus, um das mittig platzierte Kennzeichen zu gewährleisten, doch er bleibt das markante Gesicht des Wagens. Unterstützt wird er von der typischen "3+3"-Lichtsignatur, die schon aus der Ferne verrät: Hier kommt ein Alfa.



Die Seitenlinie steigt kraftvoll nach hinten an, das optionale schwarze Dach verstärkt den coupéhaften Eindruck. Besonders gelungen: die 20 Zoll großen "Venti"-Felgen, die das Auto satt auf die Straße stellen. Am Heck greift Alfa mit dem abrupt abgeschnittenen "Coda Tronca" ein klassisches Stilmittel auf, das nicht nur aerodynamisch clever ist, sondern auch an Rennlegenden der Marke erinnert.
Ein feines Detail ist das Biscione-Logo an der C-Säule, das dem Junior eine extra Portion Tradition mitgibt. Alles in allem wirkt der Junior Veloce emotional, aggressiv, aber nie überzeichnet. Er sieht schon im Stand so aus, als wolle er sofort die nächste Landstraße erobern.
Alfa Romeo Junior Veloce | |
Länge | 4.173 mm |
Breite | 1.781 mm |
Höhe | 1.500 mm |
Radstand | 2.560 mm |
Kofferraumvolumen | 400 l |
Leergewicht | 1.590 kg |
Zulässiges Gesamtgewicht | 2.030 kg |
Wendekreis | 10,5 m |
Reifen / Felgen | 245/40 R20 auf 20"-Leichtmetall |
Interieur/Bedienung
Drinnen präsentiert sich der Junior mit einer ambivalenten Mischung: auf den ersten Blick hochwertig und sportlich, auf den zweiten mit erkennbaren Konzernzwängen. Reichlich Alcantara auf Armaturentafel, Mittelkonsole und Türverkleidungen sorgt zusammen mit roten Nähten für eine edle Atmosphäre.
Besonders gelungen sind die Sabelt-Sportsitze: eine Mischung aus Leder und Alcantara, fein verarbeitet, mit Alfa-Logo in die Kopfstütze gestickt. Sie erinnern optisch an die Sitze im Abarth, bieten straffen Seitenhalt, sind aber auch für längere Fahrten noch bequem. Für breitere Fahrer wird es allerdings knapp, eine kleine Beule in der Lehne kann zusätzlich drücken.



Ein echter Hingucker sind die beleuchteten Lüftungsdüsen mit Alfa-Logo – ein Detail, das in Erinnerung bleibt. Die typischen "Alfa-Tubes" über den Instrumenten zeigen ebenfalls: Hier sitzt man in einem echten Alfa. Weniger gelungen ist dagegen die Materialqualität in manchen Bereichen. Hartplastik findet sich nicht nur unten, sondern auch an Türverkleidungen, Armaturenbrett und Säulen. Das wirkt deutlich unter dem Premiumanspruch, den Alfa eigentlich vermitteln möchte (und es preislich auch durchaus tut). Trotz der Alcantara-Flut.
Das Platzangebot erfüllt die Erwartungen an ein kompaktes SUV. Vorne sitzt man hervorragend, hinten wird es enger. Mit 1,87 Metern Körpergröße ist es kaum möglich, hinter sich selbst Platz zu finden. Dafür punktet der Kofferraum: 400 Liter plus ein großes Unterbodenfach für das Ladekabel. Praktisch, da das Kabel nicht lose herumliegt.


Das Infotainment läuft über einen 10,25-Zoll-Touchscreen. Die Bedienung ist nicht immer selbsterklärend, nach kurzer Eingewöhnung jedoch alltagstauglich. Gut gelöst: Direktwahltasten für Lautstärke und Klimafunktionen. Neu ist der Sprachassistent "Hey Alfa", der dank KI-Technik deutlich vielseitiger reagiert als die meisten Konkurrenten.
Antrieb
Das Herzstück des Veloce ist ein Elektromotor mit 207 kW, also 280 PS, und 345 Nm Drehmoment. Auf den ersten Blick wirkt die Drehmomentzahl nicht überragend, doch die unmittelbare Reaktion des E-Motors macht jede Sorge überflüssig. Von null auf hundert geht es in 5,9 Sekunden, bei 200 km/h ist Schluss. Dabei fühlt sich der Junior oft noch schneller an, als die Zahlen vermuten lassen.
Die Energie liefert eine 54-kWh-Batterie. Sie ermöglicht laut Hersteller bis zu 400 Kilometer Reichweite, realistisch sind 330 bis 360 Kilometer. Am Schnelllader zieht der Junior mit bis zu 100 kW Strom, von 10 auf 80 Prozent dauert es rund 30 Minuten. Mit 1.590 Kilo gehört er zu den leichtesten seiner Klasse – ein klarer Vorteil für Reichweite und Fahrdynamik.

Ein besonderes Schmankerl ist das mechanische Torsen-Sperrdifferenzial an der Vorderachse. Es bringt die Leistung sauber auf die Straße und sorgt für ein authentisches, analoges Fahrgefühl – etwas, das im Zeitalter elektronischer Helfer selten geworden ist.
Alfa liefert den Junior außerdem serienmäßig mit einem "aktiven Sportsound" aus. Der künstliche Motorsound klingt synthetisch, aber nicht unangenehm. Er ist nicht zu laut, begleitet die Beschleunigung dezent und ist bei Bedarf abschaltbar. Beim Verbrauch zeigte die Testfahrt, dass sportliche Fahrweise ihren Preis hat: 21,5 kWh auf 100 Kilometer waren es im Schnitt.
Alfa Romeo Junior Elettrica Veloce | |
Antrieb | Frontantrieb, 207 kW (280 PS), 345 Nm |
0-100 km/h / Höchstgeschw. | 5,9 Sek. / 200 km/h |
Verbrauch | 17–22 kWh |
Akku netto | 54 kWh |
Reichweite | bis ca. 400 km |
Max. Ladeleistung AC/DC | 11 / 100 kW |
DC-Ladedauer (10-80 %) | ca. 30 min |
Basispreis (Ausstattung) | ab ca. 48.500 Euro |
Fahrverhalten/Fahrwerk
Auf der Straße spielt der Junior Veloce seine größten Stärken aus. Elektrotypisch packt er sofort zu und katapultiert den Wagen vehement nach vorn. Die Vorderachse verbeißt sich regelrecht in den Asphalt, das Sperrdifferenzial zieht das Auto förmlich in die Kurve, was für Könner genial, für Ungeübte aber irritierend sein kann. Daher gilt: Beide Hände ans Lenkrad, sonst wirds schnell ungemütlich. Auf Landstraßen fühlt es sich fast so an, als würde man den Junior um die Kurven werfen. Das Fahrgefühl ist für ein SUV außergewöhnlich sportlich.
Die Lenkung ist ultradirekt, fast schon spitz, bleibt aber gefühlvoll. Besonders im Dynamic-Modus zeigt sie sich knackig, ohne übertrieben schwer zu wirken. Die 25 Millimeter Tieferlegung, verstärkte Stabilisatoren und die breiten Sportreifen sorgen für enorme Stabilität. Kurvengeschwindigkeiten, die man einem kompakten SUV kaum zutrauen würde, sind problemlos möglich. Wer es kann, genießt Fahrspaß pur – wer nicht, wird schnell gefordert.

Der Grenzbereich ist hoch, doch wenn er erreicht ist, verlangt der Junior geübte Hände. Elektronische Systeme greifen verlässlich ein, können aber die Physik nicht außer Kraft setzen. Hier zeigt sich: Der Junior ist mehr Alfa als SUV, und das ist durchaus gewollt. Für sportlich ambitionierte Fahrer ist er ein Genuss, für Ungeübte fast schon zu scharf.
Beim Komfort ist der Veloce kompromisslos sportlich. Das Fahrwerk ist recht hart, bleibt aber im Alltag erträglich. Die Bremsanlage ist dagegen ohne Einschränkung ein Highlight: Vierkolben-Sättel und 380-Millimeter-Scheiben sollen den Junior aus 100 km/h nach nur 33 Metern zum Stehen bringe – ein Spitzenwert in dieser Klasse.

Preis
Sportliche Exklusivität gibt es nicht zum Schnäppchenpreis. Rund 48.500 Euro kostet der Junior Elettrica Veloce. Zum Vergleich: Der 156 PS starke Elektro-Junior beginnt bei 39.500 Euro, der Hybrid sogar schon bei knapp 30.000 Euro.
Dafür bringt der Veloce reichlich Ausstattung mit: Sportfahrwerk, Sperrdifferenzial, große Bremsen, 20-Zoll-Felgen, Sabelt-Sitze und moderne Assistenzsysteme. Wer noch mehr möchte, greift zu optionalen Paketen, etwa zum Technologiepaket mit Matrix-LED und 360-Grad-Kamera oder zum Premiumpaket mit Massagesitzen und Ambientebeleuchtung.

Beim Verbrauch zeigt sich, dass der Veloce mehr auf Emotion als auf Effizienz ausgelegt ist. Während die schwächeren Elektrovarianten mit 15 kWh pro 100 Kilometer angegeben sind, liegt der Veloce in der Praxis eher bei 17 bis 19 kWh, sportlich bewegt auch bei über 21 kWh. Ein Alfa eben: Vernunft ist nicht seine größte Stärke – und soll es auch nicht sein.
Fazit
Der Alfa Romeo Junior Elettrica Veloce ist ein starkes Statement. Er bringt die alten Tugenden der Marke ins Elektrozeitalter: leidenschaftliches Design, sportliche Gene und ein Fahrverhalten, das mehr Kompaktwagen als SUV ist.

Klar, es gibt Abstriche: Auf der Rückbank ist es eng, das Fahrwerk ist straff und der Preis ambitioniert. Doch all das tritt in den Hintergrund, sobald man die erste kurvige Landstraße in Angriff nimmt. Dann wird klar, dass Alfa es ernst meint mit dem Versprechen, Emotionen zurückzubringen.
Ähnlich wie sein technischer Verwandter Abarth 600e, aber mit eigener Identität und mehr Platz, bietet der Junior Veloce ein hohes Maß an Exklusivität. Er ist kein Auto für jeden, sondern für Menschen, die bewusst anders fahren wollen. Für sie ist er ein Glücksfall.